Hass auf Flüchtlinge: “Un-" Willkommen |
Fast ein halbes hundert Tote und ebenso viele Verletzte in Orlandos Gay-Nachtclub “The Pulse” durch den US-Bürger Umar Matin stoßen an einige Grenzen von Erklärungen. Der Jihadist nahm die Propaganda des “Islamstaats”, IS, willig auf und nannte am Ende seine Mitbürger dekadenten Abschaum, den er ausräumen muss.
Zornig geriet Präsident Obama am 14. Juni vor den Me-dien nach dem Treff seiner Anti-IS-Führung in Washing-ton DC. Aber ihn bewegte nicht nur die arge Tat jenes “un-stabilen Mörders”, der nach seiner Rage noch dem IS die Treue schwor. Sondern Barack H. Obama empörten der Inhalt und die Art der Debatte, wie man das alles einordne und dass man doch weiter Migranten aus Mittelost zulasse.
Präsident Obama verwirft “radikaler Islam”. Aber dessen Pendant ist “gemäßigter Islam”, den König Salman und al-Azhar-Großimam Ahmad at-Tayyib Ziel nannten. Obamas Nein zu Islamwurzeln ist extrem: klare Analysen und Strategien sind blockiert. So desinformativ geriet dessen Administration, dass sie, so Generalanwältin Loretta Lynch zu NBC, den Kil-ler-9/11-Notruf bereinigen lässt: dessen IS-Treueeid fehle, sonst sei es weitere Propaganda.
Fragen zu Präsident Obamas Rede zum Massenmord des Jihadisten in Orlando, 14. Juni 2016 Unsere Mission liegt darin, den IS zu zerstören. ~ Nur den Terrorverein oder dessen Ideologie, wie heißt sie? Bislang wurden 120 IS-Führer ausgeschaltet. ~ Schwächte das stark die Hydra der globalen Hassbewegung? Dies ist die wahre IS-Natur: sie sind keine religiösen Kämpfer, sondern Büttel. ~ Sind diese keine Islamisten? Ein Überläufer sagte, der IS bringe der Welt keinen Islam. ~ Wieso findet der IS überall derartig viele Helfer? Viel Kritik, weil ich nicht “radikaler Islam” benutze. ~ Hilft Leugnung des “Islamischen” der Zielerkennung? Kein Berater schlug mir in 7 ½ Jahren vor, “radikaler Islam” zu nutzen. ~ Wie wäre es denn mit Islamismus? Laut IS sei es ein Krieg “Islam-Westen”. ~ Oder ist es Islamismus als Selbstdefinition und Interpretationsart? “Radikaler Islam” ist ein politischer Begriff. ~ Soll man nicht die Religion von ihren Ideologiearten trennen? Wir behandeln islamische Immigranten nicht extra. ~ Verkennt er die Terror Diaspora; auch aus Südamerika?
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Obamas Kurs fehlt akademische Einbettung, zumal sich Terroristen auf ihre Islamarten berufen. Sie edierten 1917 ihre Theorie des Islamismus. Der Prediger Yusuf al-Qaradawi nennt sich “Muslim und Islamist”. Diese Differenzierung wäre auch für den Westen weise, um nicht alle Muslime mit den Islamisten zu vermischen. Die Umkehr der Negation, alles Islamische zu leugnen, gilt: Islamwurzeln zu akzeptieren, zu begreifen und zu ergründen.
Kanzlerin Merkel definierte Islamismus, stellte Grundfragen. Premier Cameron hegt ein anti-islamistischen Aktionsplan. Präsident as-Sisi und Arabien nehmen als Oberbegriff Is-lamisten für Aktivisten, auch Jihadisten, die Terror im Globaljihad gegen “Unislamisches” führen.
So abwegig geriet die Administration, dass sie nebulöse Gegnerbegriffe führt, um wen und welche Ideologie es als Kehrseite von Terrorismus geht, oder wider aller Realität erklärt, IS wäre nicht Islam, woraus Jihadisten Attraktion ziehen. Obamas Kurs kollabiert.
Trump und Clinton
Seit global nach 1700 Wertsysteme und ihre Träger kollidieren, gibt es eine Geschichte der Islamforschung und ihrer Fachbegriffe, in Europa länger und vertrauter im Umgang mit Terror als in Amerika. Einst gab es dort solche Berater wie Henry A. Kissinger und Prä-denten wie Ronald W. Reagan mit intellektueller Neugier auch über Europa und Mittelost.
Heute fehlen Charaktere wie diese beiden, die oft Dinge sahen, wie sie waren, nicht wie sie sein sollten. Ein konträres Original zieht mit Donald J. Trump auf, der gegen Hillary R. Clinton antritt. Beide äußerten sich im Wahlkampf zum Streit um den “radikalen Islam”. Die Spitzenkandidaten sehen eine islamistische Gefahr: er sehr offen, sie noch in Wortnot.
Beide sahen sich veranlasst, nach dem islamistischen Massenmord in Orlando zu sprechen.
Trump richtete seine Hauptkritik gegen das dysfunktionale Immigrationssystem und “die politische Korrektheit der inkompetenten Administration”, die weder erlaubten, logisch zu denken und zu handeln, noch zu wissen, wen man in dieses Land lasse. Da der Killer Sohn eingewanderter Afghanen war, wäre ein Moratorium der islamischen Immigration geboten. Die Wahrheit sei nötig, wie der radikale Islam ins Land komme, was Clinton vertusche. Sie lehne das Wort radikaler Islam ab und meinte Muslime hätten nichts mit Terror zu tun.
Clinton wehrt sich gegen Trumps Anwürfe, so die durch sie geplante “Verfünffachung der jährlich 100.000 syrischen Flüchtlinge” könnten eine größere Version des Trojanisches Pferdes bilden. Zwar erwiderte sie darauf wie Präsident Obama, nicht eine ganze Religion dämonisieren und den Krieg gegen diese erklären zu wollen. Doch räumte sie plötzlich ein, radikaler Jihadismus oder radikaler Islamismus meinten wohl dasselbe und sie würde fort-an beide benutzen. Tut sie dies, bricht sie dabei mit Präsident Obamas abseitiger Position.
Trojanisches Pferd?
Der Oberbegriff Islamismus birgt Plus und Minus, dass die Religion anklingt, aus der sich die Ideologie speist. Jihadismus hingegen ist nicht dasselbe, sondern betont eine Methode, den Jihad, am Ende Welt islamistisch zu gestalten. Der politische Ansatz ist verständlich, nicht alle Gläubigen hineinzuziehen. Doch gerade darum ist die Unterscheidung zwischen Islamisten und Muslimen, der Religion und der Ideologie als eine Art der Interpretation nötig. Salafismus löst es nicht, denn er ist wie Wahhabismus nur ein Zweig des Islamismus.
Historisch gesehen zeichnete sich ab, dass Islamismus der Oberbegriff und die etablierte Selbstdefinition ist. Praktisch haben sich viele Europäer durchgerungen, diese zu benutzen. Amerikas Streit erinnert daran, dass totalitäre Bewegungen den Anfechtungen aller Seiten ausgesetzt waren: Nazis seien keine wahren Nationalsozialisten; Chinas, Russlands oder Frankreichs Kommunisten seien keine echten Marxisten. Unterm Strich blieb das fruchtlos.
Anders als Faschismus, Nationalsozialismus oder Kommunismus ist Islamismus nicht so künstlich. Islamisten schöpfen aus einer Weltreligion und beanspruchen, diese zu vertreten. Darum ihre Selbstidentifikation als Islamisten. Das macht es schwieriger und länger, diese Ideologie zu überwinden, was auch eine reformierte Religion erzwingt. Die Antiislamistin Ayaan Hirsi Ali erhellte LGBT-homophoben Jihad von Islamisten und warum Islamismus als “gefährliche Ideologie Amerika im Mantel einer Religion” infiltriere. Umso wichtiger, Islamismus vom Islam zu unterscheiden, auch wenn dies Eigenheiten erfährt. Muslime wä-ren dann nicht als Immigranten abzuweisen, sondern die Islamisten.
Wolfgang G. Schwanitz ist ein Mittelosthistoriker und Hochberg Family Writing Fellow am Middle East Forum.