Heimterror

Jihad im Westen, in Israel und seit 121 Jahren in Mittelost

Putin und Netanjahu im Kreml

Bis zu 1.000 Fälle - gleich blieben FBI-Ermittlungen gegen Vertreter des “Islamstaats”, IS. FBI-Direktor James B. Comey nannte am 7. Juni drei Gefahren: IS-Mobilisierung, um Jihadisten anzuhalten, im Westen anzugreifen, dazu aus Mittelost nach Europa und Amerika in die “Terror Diaspora” zu reisen. Das böseste Beispiel: Umar Matin, عمر متين, der am 12. Juni für den IS in Orlando 50 Menschen tötete, 53 verletzte, war US-Bürger afghanischer Abkunft. Das Wallstreet Journal umriss am 6. Juni 150 Bürger aus sechs Ländern, die wegen der brenzligen Lage im “Kalifat” ihre Heimstaaten um Hilfe zur Rückkehr baten. Etwa 25.000 IS-Kämpfer seien in Irak-Syrien, 10.000 weniger als vor einem Jahr, da es 20.000 Kämpfer von außen gab, dabei 4.500 Westler. Auch Comey benannte weniger, die zum IS reisen: ein bis zwei statt sechs bis zehn im Monat. Verschlüsselung wäre noch ein Problem.

Am 8. Juni töteten zwei Palästinenser aus der Westbank vier Israelis und verwundeten sechs weitere im Tel Aviver Markt in Sarona. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri nannte es “normale Reaktion auf Okkupation”, der Präsident der Autonomiebehörde Mahmud Abbas wies “Angriffe auf Zivilisten” ab. Jedoch bejahen dies 60 Prozent der Palästinenser. Terror rechtfertige nichts, so Außenminister Steinmeier. Wer das tue, werde mitschuldig am Mord von Unschuldigen und an der politischen Blockade. In der Terrorwelle seit 13. September wurden 38 Israelis getötet, 466 verletzt sowie über 200 palästinensische Angreifer getötet.

Israels Premier Netanjahu weilte noch an den beiden Vortagen in Moskau. Im Dauerkontakt stünden sie beide, so Präsident Putin. Russland schätze die Kontakte zu Israel, nicht nur weil es ein Kernland in Mittelost sei, sondern wegen ihrer Geschichte. Nicht allein falle Netanjahus Besuch im Kreml am 7. Juni mit dem Neustart der Kontakte vor 25 Jahren zusammen, Kreml Foto, sondern Moskau habe den Staat Israel 1948 als erster anerkannt. Nun strebe man einen Freihandelspakt Israels mit der Eurasischen Wirtschaftsunion an, kooperiere in High-Tech beim Superjet-100 und Flieger MS-21. Auch ging es um Abkommen in Pharma-, Petrol- und Agrar-Bereichen. Putin bremste es vermutlich, voll Teheran das S-300 Flieger-Abwehrraketensystem zu liefern.

Netanjahu meinte, Amerika soll nicht durch Moskau ersetzt werden. Dieser US-Eckpfeiler bleibe. Er wolle sichern, dass Syrien nicht Startplatz für Angriffe auf Israel werde, ob von Iran, Hizballah oder IS. Da Israel diese Kräfte bedrohen, gehe die regionale Koordinierung mit russischen Militärs weiter. Beide trafen sich zuletzt am 21. April in Moskau, wobei es auch um israelisch-palästinensische Belange ging, zumal Präsident Putin am 18. April Präsident Abbas empfing. Dieser sprach von zwei Staaten in “Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Palästinas Hauptstadt” und von der Paris-Initiative. Also die Aktion vom 3. Juni verpuffte - Israelis und Palästinenser fehlten unter 29 beteiligten Seiten. Dies sollten Kairo, Amman und Jerusalem als Partner mit neuen Fronten gegen den IS anschieben, der am 9. Juni Libyens Sirte verlor. Aber ohne ein effektives Abwehren, greift jener Heimterror aus.

Notschrei

Kanzlerin Merkel wurde auf ihrer Pressekonferenz mit Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev am 7. Juni gefragt, ob sie mit ihrem Gast über die “Türkei als Regionalmacht” redete und was sie meine, wenn Präsident Erdoğan Deutschland vorwirft, dass man sich zwar mit dem Völkermord an Armeniern befasse, aber nicht genug mit dem Holocaust und Herero? Sie erwiderte, man sprach über Nagorny Karabach, wo die Waffenruhe im April verletzt wurde. Eine Lösung des Konflikts helfe, die Lage zwischen der Türkei und Armenien zu bessern. Am 9. Juni wies der Bundestag die türkischen Kritiken [und Morddrohungen] ab, Abgeordnete wären “Sprachrohr von Terroristen”. Merkel nannte es nicht nachvollziehbar.

Die Armenier-Resolution des Bundestages verwies auf die Singularität des Holocaust.

Die Armenier-Resolution des Bundestages verwies auf die Singularität des Holocaust. Deutschland erörtert nicht nur dessen Geschichte und Nationalsozialismus, sondern tue es auch weiter als Pflicht jeder Generation. Berlin helfe der Türkei und Armenien, setzen sie eine gemeinsame Historikerkommission ein. Die wird wohl Istanbuler und Berliner Linien vor 1914 prüfen, osmanische Reformen seit 1856 und die deutsche Islampolitik seit 1871. Viel wurde bekannt, wie ein Sonntagsblatt Armenier beschrieb, einst Gregorianer genannt.

Schleswig-Holsteiner Sonntagsbote: “Notschrei Armeniens” gegen Jihad im Osmanenreich 1895-1896
13.10.1895, S. 15: Noch keine Ruhe für Armenier, von Türken verhaftet, misshandelt. Großmächte gefragt.
10.5.1896, S. 251f.: November 1895 plündern Türken und Kurden 600 Läden, 289 Häuser von Gregorianern.
Zeugenbriefe am 28. Dezember 1895 und danach darüber, wie Soldaten etwa 3.500 Christen getötet haben.
Muster: ein Trupp tötet Männer, ein anderer Trupp bringt Frauen und Kinder in Moscheen; trennt diese dort.
17.5.1896, S. 262: Die Amerikanische Mission hilft Notleidenden, es fehlt an Kleidern, Kochgeschirr, Betten.
In Haft 60 Christen, aber keiner verging sich. Gräueltaten in Provinz Aleppo, 27.10.1895 das Blutbad in “U.”.
Da sich Muslime vor Armeniern fürchten, mussten diese ihre Waffen abgeben, aber Muslime behielten ihre.
Zum Schutz dieser Christen geschickte Soldaten ließen sich aber von denen mit Essen und Hausrat versorgen.
2.7.1896, Frankfurt a.M., Hilfsbund Armenien, Kaiserswerth Smyrna, Waisenhaus Mädchen, Brussa Jungen.
Aufruf Pfarrer Lohmanns: Bitte Material zusenden für eine authentische Schrift zu armenischen Massakern.
13.9.1896, S. 395f.: Gedenkt der Armenier: Spendet für Waisenhaus in Smyrna. Schilderungen der blutigen und grauenvollen Glaubensverfolgungen gegen Armenier erscheinen neuerdings im Berliner “Reichsboten”.
20.9.1896, S. 408f.: Grauenhafte türkische Statistik über Armenien, September-November 1895 – Armenier in Städten 177.700, dem Hungertod preisgegeben 75.000, getötet 20.000; von 3.300 Dörfern 2.500 zerstört; davor wohnten dort 538.500 Armenier, davon Hungertod 350.000; Annahme, in jedem zerstörten Dorf 100 Armenier getötet, dann konservative Schätzung 250.000 Tote. Dort Spezialberichterstatter der United Press:
Frauen geschändet, dann als Sklavinnen verkauft. Sultan-Erlass 1856: Alle Religionsformen sind offen und erlaubt, niemand soll am Glauben behindert oder dabei gezwungen werden. Im Berliner Vertrag garantierten sechs Großmächte 1878 Schutz der Armenier. Dennoch fanden die Gräueltaten statt, niemand wurde bestraft.
27.9.1896, S. 411f.: Armenische Furcht, Hilfs- u. Hoffnungslosigkeit. Landwegnahme langsamer Hungertod.

Man prüfe dies kritisch. Doch die Frage, die Raphael Lemkin als Schöpfer des Wortes “Ge-nozid” sah, steht: wie leiten Ideologien dazu an, Menschen zu töten, wie wirkt das System? Das deutsche “Völkermord” trifft mit “Völker” im Plural zu: es waren oft multiple Genozide. Genozid kam 1944 zur Schoah auf und gilt rückwirkend, zumal Lemkin mit Armeniern begann. Laut Bundestag hat nun kaum jemand mehr persönliche Schuld. Aber allseits tragen Nachfahren ihre Verantwortung, dies durchzuarbeiten, damit es nicht neu passiere.

Nicht nur Deutsche sind durch ihre Mitverantwortung gefragt, zumal es viele der 30.000 Deutschen in osmanischen Diensten erlebten. Nicht wenige stiegen im Zweiten Weltkrieg zu “Führern” auf. Es gab nicht nur Personaleinheiten zwischen den Weltkriegen, sondern beiderseits tödliche Ideologien. In religiöser und/oder rassistischer Suprimität leben sie im Globalkrieg auf – für eine Seite ein Jihad-Glaubenskrieg. Wolfgang G. Schwanitz

Wolfgang G. Schwanitz ist ein Mittelosthistoriker und Hochberg Family Writing Fellow am Middle East Forum.

A historian of the Middle East, Wolfgang G. Schwanitz is a native of East Germany who was raised in Egypt. He holds a Ph.D. in Middle Eastern Studies from Leipzig University, has taught at five German and American universities, and served as head of Middle Eastern history at the Academy of Science in Berlin. Schwanitz has been a visiting fellow at the French Center in Cairo, Princeton University, and the German Historical Institute in Washington, DC. The author of nine and the editor of ten books, Schwanitz has published some 150 scholarly articles and over 500 newspaper and magazine pieces on modern Middle Eastern history and international relations. He is a fellow at the Middle East Forum.
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I recently witnessed something I haven’t seen in a long time. On Friday, August 16, 2024, a group of pro-Hamas activists packed up their signs and went home in the face of spirited and non-violent opposition from a coalition of pro-American Iranians and American Jews. The last time I saw anything like that happen was in 2006 or 2007, when I led a crowd of Israel supporters in chants in order to silence a heckler standing on the sidewalk near the town common in Amherst, Massachusetts. The ridicule was enough to prompt him and his fellow anti-Israel activists to walk away, as we cheered their departure. It was glorious.