Islamistische Invasion?

Calais City Eurotunnel

Beschlüsse fallen heute auf dem Brüsseler Treff EU-Türkei und auf dem Europäischen Gipfel in der Monatsmitte. Laut EU-Ratspräsident Donald Tusk ist es die letzte Chance einer europäischen Krisenlösung. Den UN-Angaben nach kamen täglich im Februar 2.000 Flüchtlinge bei den Griechen an. In den ersten beiden Monaten schafften es 120.000 durch die Türkei und Griechenland nach Europa. Aber in Idomeni, wo der Notstand erklärt werden soll, sind vor Mazedonien 14.000, bald mehr. Berlin gab zu, keine Ortsübersicht über 130.000 Asylanten zu haben. Das Brüsseler Gericht bejahte Ortsauflagen für Migranten, die ansonsten ihre Ansprüche verlieren. In Calais am Eurotunnel zerstört die französische Polizei Zeltlager der nach London Strebenden. Wohin man auch sieht, Europa ringt mehr und mehr national zersplittert.

Sie sei ohne Plan B, sagte Kanzlerin Merkel, alles auf eine “europäische Lösung” setzend. Eine starre Obergrenze bei der Flüchtlingszahl lehne sie ab und sei zutiefst überzeugt, dass “der Weg, den ich eingeschlagen habe, richtig ist.” Der Schengen-Pakt zerbröselt, soll aber bis Jahresende wieder gelten. Paris und Wien haben Oberlimits, Osteuropäer wie Slowaken suchen ihre Wege. Premier Orbáns Ungarn stellt ein Referendum gegen Machtmissbrauch. Mazedonien schloss am 26. Februar die Grenze und benutzte Tränengas gegen Migranten.

Unter Flüchtlingen sind Jihadisten mit Plan B und C. Noch fällt das Absetzen von Leuten des “Islamstaats” aus dem syrisch-irakischen Kernland kaum auf, da sie weithin operieren. Dafür gehen sie nach Sinai, Libyen und Mittelafrika. Wie Verfassungsschützer bestätigen, setzten sie sich ebenso nach Deutschland ab. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den geständigen Nils D. zu vier Jahren als Teil eines Sturmtrupps des “Islamstaats”. Führt Europa keine Begrenzung ein, öffnet es sich folgenschwer: eine effektive Kontrolle fehlt. Zeitweise ist nationaler Selbstschutz gut. Berlin hat selbst Grenzkontrollen. Merkel lehnt Durchwinken ab. Der Papst sieht Positives im Fakt der “arabischen Invasion": “Possiamo parlare oggi di un’invasione araba. È un fatto sociale.” Was, wenn sie islamistisch ausfällt?

Eine Kernursache ist der Syrienkrieg. Amerikas Beitrag wäre laut Steinmeier nötig. Der Außenminister will, “dass wir den Syrienkonflikt entschärfen”, also den Flüchtlingsdruck reduzieren. Aber vier Jahre sah Berlin allein zu, wollte sich keineswegs weiter engagieren. Präsident Obama zieht sich allmählich heraus. “Wir”? Am Krieg hebelt Präsident Putin, wie in der Ukraine mit 9.160 Toten seit April 2014. Er lenkt dies, hat Nato und EU dort, wo er sie haben will. Von Paris aus riefen ihn Merkel und Präsident François Hollande an. Er nickte zur limitierten Waffenruhe vom 27. Februar - und hantiert sie wie in der Ukraine?

Warnung

Seit 2012 präsidiert Hans-Georg Maaßen dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Geboren 50 Jahre zuvor in der Bonner Republik, kam dieser Jurist mit der Einheit nach Berlin. Unter ihm fällt das Kölner Amt durch seine Analysen zum Islamismus, Maaßen durch Interviews auf, die Täterprofile benannten. Er warnte auf dem Berliner Europäischen Polizeikongress vor Sicherheitsrisiken der unkontrollierten Einwanderung. Behörden wüssten nicht mehr, wer hier sei. Rechtsextremismus erstarke. Ein islamistischer oder rechtsextremer Angriff könne zur Eskalation führen. Das Land stehe vor einer bisher unbekannten Radikalisierung.

Sinngemäß - Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen zur “irregulären Migration”, 24. Februar 2016

Flüchtlingskrise ist Spitzenthema für Verfassungsschutz. Trend - 2015 1,1 Mio. Personen - geht 2016 weiter. Islamistischer Extremismus und Terror im Fokus der Aufklärung nach Pariser Terror des “Islamstaats” - IS. Zwei IS-Attentäter kamen als Flüchtlinge. Zwei weitere Suizidwillige am 10. Dezember in Salzburg gefasst. Muster: von 800 Syrienreisenden 260 als Jihadis zurück. Täglich bis zu vier Warnungen vor Angriffsplänen. Salafisten nun 8.300, Nährboden für Jihadis hier und in Syrien. Selbstradikalisierte für IS via Web-Agitation.

  1. IS-Jihadis kommen als Flüchtlinge getarnt mit Kampfauftrag, 300 Hinweise, darunter 2/3 auf IS-Liaison. Erschwert durch lückenhafte und verzögerte Daten zu vielen Migranten - 70 Prozent haben ungültigen Pass.
  2. Migranten sind Rekrutierungspotenzial hiesiger Islamisten. Salafisten werben sie für Islamismus, treten unterm Deckmantel humanitärer Hilfe auf. Islamisten nahmen 330 Mal Kontakt zu Asylbewerbern auf, auch in den islamistischen Moscheen. Warnung: Sie bringen Geld, Sachspenden und Korane in Asylunterkünfte.
  3. Selbstradikalisierung nach Ankunft zum islamistischen Terrorismus. Abdriften in Islamismus. Desillusion, rechtsextreme Angriffe, Identität, Unterkunft, Versorgung, ohne Job mit Alltagsfrust. Angriffe auf Ordnung.
  4. Migrationskrise stärkt rechtsextreme Agitation. Angst vor “Asylflut”. “Brauner Mob” und Fremdenhass. Radikalisierung bürgerlicher Milieus – Wutbürger. Angriffe auf Asylanten. Pegida ohne Vertrauen in Staat und Politik, “Lügenpresse” nach Kölner Silvesterskandal. Rechte Medien islamfeindlich, rechtspopulistisch. Kritik?

Bürgerliches Milieu ist zu staubig. Schichten wären zu differenzieren, geht es um Einkommensgruppen, Politikanbindung oder Varianten daraus. Linker Extremismus fehlt. Islamfeindlich? Bürger sind oft nicht gegen Islam, sondern Islamisten. Ein parallelsozialer Abbau des Grundgesetzes läuft: Soziales, Minoritäten, Judenhass und Frauen. In nächsten drei Landtagswahlen wird die Alternative für Deutschland sicher zehn Prozent übersteigen.

Zündfunken

Alarmierend ist die Botschaft, Deutschland sei vor einer unbekannten Radikalisierung, zu der ein islamistischer Terroranschlag oder ein rechtsextremer Angriff die Zündfunken sein könnten. Der Vertrauensverlust in die Demokratie, Institute und Politiker geht global um, siehe Amerikas Wahlkampf. Jedoch ist nichts schicksalshaft. Bürger können stets handeln.

Kanzlerin Merkel setzt auf unsichere Faktoren, riskiert Europas Spaltung, der sie doch zu entrinnen sucht. Noch hält sie es für unnötig, ihren in Mittelost, Europa und Deutschland gravierenden Asylkurs demokratisch zu legitimieren und akademischen Vorlauf zu KulturKonflikten zu besorgen. Mit ihr laufen Altmedien konform. Ränderextreme und politische “Korrektheit” grassieren. Das ist ein kollektivistischer Hegemonialanspruch im Diskurs für Werterelativierung und Selbstzensur gegen individuelle Meinungen und Menschenrechte.

Reformstau meint auch Amtszeiten von Gewählten nur bis zu acht Jahren. Steuersenkung soll obenan stehen und EU-Bürokratien abbauen. Ob des Verlustes an Nationalbewusstsein wird Heimatliebe oft rechtsextrem abgetan. Wer will, mag Maaßens Alarm vor Kollisionen auch gegen Ignorante hören. Am Donnerstag rief EU-Ratspräsident Donald Tusk endlich Wirtschaftsmigranten auf, nicht mehr nach Europa zu gehen. Alsbald muss Berlin derartig fair alle Anwärter ansprechen, nur noch legale Wege zu finden.

A historian of the Middle East, Wolfgang G. Schwanitz is a native of East Germany who was raised in Egypt. He holds a Ph.D. in Middle Eastern Studies from Leipzig University, has taught at five German and American universities, and served as head of Middle Eastern history at the Academy of Science in Berlin. Schwanitz has been a visiting fellow at the French Center in Cairo, Princeton University, and the German Historical Institute in Washington, DC. The author of nine and the editor of ten books, Schwanitz has published some 150 scholarly articles and over 500 newspaper and magazine pieces on modern Middle Eastern history and international relations. He is a fellow at the Middle East Forum.
See more from this Author
See more on this Topic
I recently witnessed something I haven’t seen in a long time. On Friday, August 16, 2024, a group of pro-Hamas activists packed up their signs and went home in the face of spirited and non-violent opposition from a coalition of pro-American Iranians and American Jews. The last time I saw anything like that happen was in 2006 or 2007, when I led a crowd of Israel supporters in chants in order to silence a heckler standing on the sidewalk near the town common in Amherst, Massachusetts. The ridicule was enough to prompt him and his fellow anti-Israel activists to walk away, as we cheered their departure. It was glorious.