Offene oder gelenkte Globalisierung

Memorial am Brandenburger Tor, Berlin, für Opfer des Terrors in Orlando, Florida. Foto: Wolfgang G. Schwanitz

Clintons Globalität, Trumps Amerikanismus, Merkels Mittelosteuropa

Viele leben im Schock von Terrorwellen in Amerika, Mittelost und Europa. Das zeigt mein Foto zum Memorial am Brandenburger Tor für 49 Ermordete und 53 Verwundete des Terrors am 12. Juni gegen die LGTB-Gemeinde des Puls-Nachtclubs in Orlando, Florida. Der Täter Umar Matiin bekannte sich zum “Islamischen Staat und Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi”. Das Gedenken, Foto vom 28. Juni am Brandenburger Tor, schloss Plakate mit Texten wie “Stop Homophobia” und “Euer Schweigen = Zustimmung” ein. Jetzt nominierte Amerika die Präsidialkandidaten. Aus Hillary R. Clintons und Donald J. Trumps Reden erhelle ich nun Liberales und Konservatives.

Sinngemäß aus Akzeptanzreden von Hillary R. Clinton, 28. Juli ~ Donald J. Trump, 22. Juli 2016

Religion: Wir werden keine verbieten. ~ Wir beschützen Bürger vor Gewalt und einer hassvollen Ideologie.

Islamischer Staat-Isis: Ich legte meine Strategie gegen Isis dar; wir treffen sie aus der Luft, Lokaltruppen bekämpfen sie am Boden; wir stärken Nachrichtendienste und verhindern Angriffe, bevor sie aufkommen; wir stören es online, Jugendliche in Amerika zu radikalisieren; das geht nicht schnell, aber wir siegen. ~ Isis verbreitete sich in Mittelost und weltweit. Wir werden diese und den islamistischen Terrorismus bekämpfen.

Immigration: Wir bauen keine Mauer und finden die Wege, Millionen zu Bürgern zu machen. ~ Wir werden sofort die Einwanderung aus durch Terror befallenen Nationen bis zur effektiven Überprüfung suspendieren. Nur solche Individuen werden erlaubt, die unsere Werte teilen, jedoch nicht wer Gewalt und Hass verbreitet. Wir bauen den [südlichen] Grenzwall, um die illegale Immigration, Gangs, Drogen und Gewalt zu stoppen.

Terrorismus: Wir werden mit Amerikanern und Alliierten Terror bekämpfen. ~ Terrorschutz bedarf guter globaler Information, mit Alliierten gegen islamistischen Terror, keine Nationsbildung oder Regimewechsel.

Nato: Wir stehen mit unseren Nato-Alliierten gegen jede Gefahr, darunter Russland. ~ Die Nato machte sich obsolet, weil sie mangelhaft den Terror bekämpft und deren Mitglieder nicht ihre fairen Anteile einbezahlten.

Israel: Wir werden weiterhin Israels Sicherheit fördern. ~ Israel ist unser bester Alliierter im Raum Mittelost.

Iran: Ich bin stolz, dass wir ohne einen Schuss Irans Nuklearprogramm kappten. Wir müssen dies nunmehr durchsetzen. ~ Der Pakt mit Iran macht Geschichte als einer der ärgsten Pakte, der je verhandelt wurde. Wir bekamen gar nichts, Teheran erhielt $150 Milliarden. Iran ist auf dem Wege, nukleare Waffen zu erlangen.

Amerika, Mittelost, Europa: Von Bagdad bis Kabul, über Nizza, Paris und Brüssel nach San Bernardino und Orlando, wir haben determinierte Feinde, die besiegt werden müssen. ~ Nach 15 Jahren an Kriegen in Mittelost, nach $Billiarden und tausenden Toten, ist die Lage schlimmer denn je mit Tod, Terror und Schwäche.

Erbe ~ Credo: Lasst es unser Erbe sein (A. Hamilton) “den Samen in einem Garten zu säen, den du nie sehen wirst”. ~ Amerikanismus, nicht Globalismus: zuerst Amerikaner und ihr Terrorschutz in sicheren Grenzen.

Multi- oder National-Kultur

Starke Kontraste, Allglobalismus versus Nationalregionalismus. Bei Clinton gelten kaum Grenzen, die offene Globalisierung; und Immigranten werden zu Bürgern. Hingegen sucht Trump eine “gesteuerte Globalisierung”. Er sieht Globalkrieg als Kernaufgabe, geht Chaos, Hassideologien und islamistischen Terror an. Sie will Obamas Kurs fortsetzen und nimmt den Islam wie eine westliche Religion an. Aber Obama ging nun weiter, indem er Muslime Amerikas wie alle Amerikaner gegen jene aufrief, “die glauben, ihre Interpretationsart des Islam rechtfertige irgendwie die Gewalt”. Die Interpretationsarten führen zum Islamismus.

Clinton verkennt diese Ideologie als Grundübel, wie ihre Reaktion auf Mittelost und den Botschaftermord in Benghazi anzeigen. Vor allem übersieht sie die kulturelle Tradition der islamischen Einheit von Macht und Moschee – das Kalifenerbe – von der Kaiserregel her, der Trennung von Staat und Kirche. Eine säkulare, klassische Blockade lässt sie annehmen, Islam mag nur eine Privatsache sein. Bei Jihadismus, Sekten- und Globalkrieg fehlt ihr ein klarer Ansatz. Indes hegt Trump eine Ahnung, wie er dies löst. Seine Worte zu Israel sind eindeutig, das sich aber mittelfristig doch unabhängiger von jeder US-Hilfe machen sollte.

Die Eurolinke mag Clintons “Progressivität”. Aber konservativ räsoniert Amerikanismus auch in Mittelost, Ostasien und Südostasien. Dies bedeutet, dass unter Clinton oder Trump liberale und konservative Aufspaltung und Abkopplung laufen, beide mit Extremen. Führt sie, stehen Hintergründe von Krieg und Terror in Frage. Übernimmt er, gibt es dazu mehr Aufklärung und ein Aufleben Amerikas, jedoch kaum Befriedung in seiner Amtszeit, zumal die Administration den Griff Irans nach Nukes nur aufgeschoben, nicht aber gelöst hat.

Wieviel Generationen zur Integration?

Schauen wir auf sinngemäße Kernpunkte der Kanzlerin zur Globalära in der Sommerrede.

Kanzlerin Merkel vor den Medien nach den vier Mordangriffen, Berlin, 28. Juli 2016

  • Mordangriffe Würzburg 18. Juli, Ansbach 24. Juli: islamistischer Terror, zivilisatorische Tabus gebrochen.
  • Zwei Täter kamen als Flüchtlinge nach Deutschland oder gaben dies vor: sie verhöhnten das Aufnahmeland.
  • Sie wollen Zusammenhalt, Miteinander, Offenheit zersetzen, säen Hass zwischen Kulturen und Religionen.
  • Nötig: 1 Sicherheit und Frühwarnsystem gegen Radikalisierung 2 Ausbau Personal-Technik 3 Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich zur Entschlüsselung der Internetkommunikation 4 Übungen für terroristische Großlagen mit Polizei und Bundeswehr 5 Forschung islamistischer Terror/Radikalisierung 6 Dateivernetzung Europas 7 neues Waffenrecht Europa 8 Nachrichtendienste 9 Rückführungen verstärken.
  • Können wir große Bewährungsprobe bestehen, die Kehrseiten positiver Effekte der Globalisierung aufhellt?
  • Trotz des islamistischen Terrors: Integrationsaufgabe in Ära der Globalisierung meistern - wir schaffen das.
  • Islamistischer Terrorismus gefährdet nicht nur Syrien, sondern Deutschlands äußere und innere Sicherheit.
  • Kann man etwas dagegen tun wie Gesetzverschärfung oder gehört es zu Deutschland bis Integration greift?

Mauer mit Bild von elf Kinderrechten in Berlin, hier die Gleichheit der Geschlechter. Foto: T.W. Schwanitz

Nehmen wir den dreijährigen Wissam in Niedersachsens Bad Essen, dessen Kindertagesort Berlin als Stätte der Integration vorstellt (etwa zehn Prozent der Asylbewerber 2015 waren jünger als elf). Seine Eltern flohen im Winter aus Syrien nach Europa. Jetzt lernt er prima Deutsch. Seine Erzieherin meint, Wissam sei der Schlüssel für die Integration seiner Eltern. Gelinge es, ihm eine neue Heimat zu geben, so schaffe man es auch bei den Eltern. In Berlin gibt es Tafeln, die elf Kinderrechte abbilden wie das ♂♀-Gleichheitsrecht, Foto. Spricht Wissam auch Deutsch, wird er doch zu Haus erzogen.

Was lehren ihm die Eltern wohl dazu aus Islamkultur oder Grundgesetz? Mitteleuropäer erlebten seit 1961 oft, dass Traditionen Generationen fortwirken oder plötzlich islamistisch ausbrachen. Das ZDF zeigte am 3. September 2015 Immigranten in Deutschland und deren Nachwuchs mit Paralleljustiz, Minderstellung von Frauen, Zwangsheiraten und Notflucht. Also dort Aufgewachsenen gilt das Grundgesetz punktuell nicht bindend. Migrationskurse drehen keine Familien um.

Dies, verknüpft mit der demographischen Abnahme Einheimischer binnen 30 Jahren, dem Neuzuwachs und der Einflussnahme auf Minoritäten aus Mit-telost, ist das Merkels Naivität: Mitteleuropa wird zu Mittelosteuropa, missrät ihr demokratisch illegitimer und ungezügelter Asylkurs als soziales Experiment.

Wolfgang G. Schwanitz ist ein Mittelosthistoriker und Hochberg Family Writing Fellow am Middle East Forum.

A historian of the Middle East, Wolfgang G. Schwanitz is a native of East Germany who was raised in Egypt. He holds a Ph.D. in Middle Eastern Studies from Leipzig University, has taught at five German and American universities, and served as head of Middle Eastern history at the Academy of Science in Berlin. Schwanitz has been a visiting fellow at the French Center in Cairo, Princeton University, and the German Historical Institute in Washington, DC. The author of nine and the editor of ten books, Schwanitz has published some 150 scholarly articles and over 500 newspaper and magazine pieces on modern Middle Eastern history and international relations. He is a fellow at the Middle East Forum.
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I recently witnessed something I haven’t seen in a long time. On Friday, August 16, 2024, a group of pro-Hamas activists packed up their signs and went home in the face of spirited and non-violent opposition from a coalition of pro-American Iranians and American Jews. The last time I saw anything like that happen was in 2006 or 2007, when I led a crowd of Israel supporters in chants in order to silence a heckler standing on the sidewalk near the town common in Amherst, Massachusetts. The ridicule was enough to prompt him and his fellow anti-Israel activists to walk away, as we cheered their departure. It was glorious.